Oostende - Camaret-sur-Mer, September 2013

Abenteuerlicher Englischer Kanal

Nach einer längeren Abwesenheit war Sandra froh, das Schiff noch am gleichen Ort vorzufinden wie bei ihrer Abreise. In Oostende befindet sich der Hafen direkt neben dem Bahnhof, was die Anreise einigermassen unkompliziert machte.

Zwei Tage setzten Adela, eine spanische Skipperin, Christian, ein Mitsegler aus der Schweiz und Sandra ein um das Schiff zu checken und Diesel zu tanken. Kurz vor der Abfahrt brach dann nochmals Hektik aus: Unser Plotter mit der Karte zeigte ein Farbenchaos an, das es fast unmöglich machte, überhaupt etwas herauszulesen. Gerade wegen den Sandbänken vor Oostende war es enorm wichtig, dass wir genau vom Plotter ablesen konnten, wo uns Gefahren erwarteten... Wir hatten aber Glück - und fuhren ohne Probleme aus dem Hafen hinaus - wobei Sandra nochmals dem sehr freundlichen Hafenmeister zuwinkte - Richtung Calais und rein in den English Channel. Da viele Fischerboote und andere Schiffe sich in dieser Gegend tummelten, war grosse Konzentration gefragt, vor allem bei Dunkelheit. Alle Schiffe müssen in der Nacht Lichter führen - dies sowohl zur Information für andere Schiffe aber natürlich auch zur eigenen Sicherheit. In dieser engen Passage sah man entsprechend viele Schiffe - und viele Lichter. Um ein sicheres Vorwärtskommen zu gewährleisten, müssen die unzähligen Lichter genauestens analysiert, mit der Karte verglichen und bestimmt werden. Erschwert werden kann dies durch Verschiedenes - z.B. durch Nebel, den wir bei der Einfahrt in den Hafen von Cherbourg in der Normandie auch erwischten. Unsere Brillengläser mussten minütlich geputzt werden. Glücklicherweise fanden wir den Hafen trotzdem gut und machten uns ohne Pause direkt auf den Weg zum Tanksteg. In diesem Moment rauschte ein anderes Segelschiff an uns vorbei, nahm uns die Vorfahrt und stellte sich seelenruhig an den eigentlich für uns vorgesehenen Platz bei der Tanke. Das hiess für uns gute 15 Minuten hin- und herpendeln um das Schiff unter Kontrolle zu halten, bis wir endlich auch tanken konnten. Adela meinte nur: "Not nice!" Was sie sonst noch auf Spanisch sagte, lassen wir hier besser weg...

 

Nach dem Tanken und einer kurzen Frühstückspause, stellte Sandra erstaunt fest, dass der Wasserspiegel innerhalb von nur zwei Stunden um ganze zwei Meter gestiegen war! Das sind unglaubliche Wassermassen, die sich im Englischen Kanal während Ebbe und Flut bewegen. 

 

Bei der Ausfahrt aus dem Hafen trafen wir eine traurige Regatta: Zwar waren die Schiffe mit vollen Segeln draussen, doch es wehte kein Wind und es sah aus, als ob jemand vergessen hätte, aufzuräumen. Dafür hatte sich der starke Nebel schon etwas gelichtet und optimistisch nahmen wir die Sonnenbrille in Griffnähe. Der Anblick der schroffen Felsen der französischen Atlantikküste faszinierte uns. Langsam motorten wir daran vorbei. Die Sonne kämpfte sich hartnäckig immer mehr durch den Nebel und die Wolken hindurch, so dass wir die Channel Islands bei strahlendem Sonnenschein passierten... Herrlich! Wir genossen die warme Sonne auf unseren Gesichtern und den Ausblick auf die malerischen Inseln.

 

Willkommen in Camaret-sur-Mer

Die Einfahrt nach Camaret-sur-Mer verzögerte sich leicht, da wir erneut starke Gegenströmung hatten. Für die langen Tage auf See wurden wir mit fantastischer Aussicht und einem wunderhübschen Hafen entschädigt.

 

Nach dem Anlegen hatten wir nur eines im Kopf: Duschen!!! Nach einer Weile auf See ist Duschen in einer normalen Dusche wie Weihnachten und Ostern zusammen im Sommer :-)! Als wir danach etwas essen wollten, wurden wir ziemlich unfreundlich von den Franzosen abgewiesen: "C'est déjà trop tard pour manger!" Ein grosszügiger Restaurantbesitzer hatte doch noch Erbarmen mit uns und schenkte uns ein Baguette. So kam es, dass wir wie "homeless people" aussahen, als wir an den Restaurants entlang mit einem riesigen Baguette in der Hand zurück zum Hafen schlenderten. Umso besser, dass wir direkt eine Bar fanden, die noch geöffnet hatte und uns einen wohlverdienten Drink gönnten. 

 

Hilfsbereite Nachbarn

Am nächsten Tag lernte Sandra den Eigentümer des Nachbarschiffes kennen: Mike, ein pensionierter Engländer. Ganz nach spanischer Gastfreundschaft lud Adela ihn gleich an diesem Abend zu einem gemütlichen Glas Rotwein (aus Mallorca übrigens, der Heimat von Adela) auf die Sweet Pearl ein. Während wir pausenlos über Gott und die Welt plauderten, ruderte John (74 Jahre, ehemaliger Secret Service Agent) auf seinem Dinghi vorbei und landete fünf Minuten später prompt auch auf der Sweet Pearl. Wir erfuhren rasch Interessantes aus John's Berufsleben: Er hatte illustre Kunden wie den Sultan von Brunei oder Al Fayed von Harrod's und glaubt bis heute nicht, dass Diana einen Unfall hatte. Abends darauf waren wir schon zu sechst: Patrick und Sophia, die ein Haus in Camaret haben, tranken eine weitere Flasche Wein mit uns und luden uns spontan zum Abendessen ein - da wir natürlich wieder einmal viel zu spät unterwegs waren und alle Restaurants bereits geschlossen hatten. Sandra war von den vielen interessanten Eindrücken, den unerwarteten Begegnungen und den spannenden Diskussionen völlig fasziniert - das Seglerleben scheint spannend zu sein! John fuhr uns am nächsten Morgen die 45 Minuten zum Bahnhof nach Brest. Und zwar, nicht weil er einen Termin hatte, sondern einfach, weil er uns das zu liebe tat! Sandra erfuhr später, dass er jeden Tag in unserer Abwesenheit nach dem Schiff geschaut hatte! Wie überaus hilfsbereit und freundlich!!!

 

John & Mike, if you ever come across this page - THANK YOU!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0